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Abschreiben - wie ist das eigentlich rechtlich zu bewerten?

Angesichts der aktuellen Plagiatsvorwürfe in Bezug auf die Dissertation des Karl-Theodor zu Guttenberg stellt sich die für Journalisten wie für alle professionell mit Texten umgehenden Personen nicht unerhebliche Frage: wie wirkt sich Abschreiben/Übernahme von Texten (Plagiate und andere Übernahmen) rechtlich aus?

Im Fall zu Guttenberg greift die einschlägige Promotionsordnung, die die prüfungsrechtlichen Auswirkungen – einschließlich des Rechts, den Doktorgrad zu führen – regelt, daneben das für alle Formen der Übernahme von Texten geltende weitere Recht wie beispielsweise das Urheberrecht.

Wenn man vom Prüfungszusammenhang einmal absieht, ist letzteres maßgeblich.
 
Wird systematisch übernommen, kann darin eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Handlung liegen. Hier soll allerdings nur die – für die Bewertung des Abschreibens in rechtlicher Sicht in der Regel entscheidende – urheberrechtliche Lage näher beleuchtet werden.

1.
Text kann urheberrechtlich geschützt sein, nämlich dann, wenn er als Sprachwerk (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) zu bewerten ist. Das ist der Fall, wenn es sich um eine persönliche geistige Schöpfung, die eine gewisse Schöpfungshöhe aufweist, handelt. Entscheidend dafür ist die Eigentümlichkeit des Textes – wenn er umstandsbedingt nur genau so geschrieben werden konnte, also auch kleine Abweichungen umstandsbedingt nicht möglich sind, liegt keine geistige Schöpfung vor. Je kreativer ein Text ist, desto eher ist er geschützt. Texte mit einem fiktiven Gegenstand sind daher eher geschützt als Sachtexte - bei letzteren greift zudem ein gewisses „Freihaltebedürfnis“, Sachthemen dürfen nicht für die weitere Diskussion „gesperrt“ sein. Die Länge des Textes als solche ist für die Bewertung als Sprachwerk eigentlich unerheblich, jedoch dürfte eine längere Abhandlung eher gewisse eigenschöpferische Merkmale aufweisen als eine sehr kurze. Ganz kurze Nachrichtentexte sind oft nicht urheberrechtlich geschützt, eine langgestreckte Abhandlung zu einem Sachthema mag wenig Kreativität enthalten, wenn es aber doch eine eigene Darstellung der Thematik ist, kann ausreichende Eigentümlichkeit vorliegen. Deswegen sind auch Lehrbücher urheberrechtlich schutzfähig. Es ist unschwer zu erkennen, dass es nicht immer leicht ist einzuschätzen, ob ein Text urheberrechtlich geschützt ist oder nicht. Letztlich erfordert das eine Einschätzung im Einzelfall.

2.
Liegt ein geschütztes Sprachwerk vor, darf es nicht ohne weiteres nach Belieben verwertet werden. Bei der Verwertung durch Übernahme von Sprachwerken muss man drei Fälle unterscheiden:

1) die identische Übernahme oder fast identische Übernahme;
2) die erkennbare Anlehnung an den fremden Text, d. h. eine Übernahme unter Abänderungen, bei der der Ausgangstext jedoch „durchscheint“;
3) die ganz lockere Anlehnung, bei der der Ausgangstext nur als Inspiration dient, im neuen Text jedoch nicht mehr „durchscheint“.

Die ersten beiden Fälle sind ohne Berechtigung unzulässig, der dritte ist zulässig. Der Verfasser des Zweittexts kann sich also inspirieren lassen, er darf aber weder etwas identisch oder praktisch identisch übernehmen noch sich so eng an den Ausgangstext anlehnen, dass das Werk des Autors des Ausgangstextes „durchscheint“, denn dann ist die entscheidende geistige Schöpfung die des Verfassers des Ausgangstextes, nicht die des Autos des Zweittextes.

Eine Berechtigung, wie sie für die Verwertung in den ersten beiden Fällen notwendig ist, kann sich aus Gesetz ergeben oder vom Berechtigten erteilt werden. Nach dem Gesetz kann die Schutzdauer z. B. abgelaufen sein (i.d.R. gut 70 Jahre nach dem Tod des Verfassers) oder eine Ausnahme wie das Zitatrecht (siehe dazu unter dem 23.07.2009: „Zitieren erlaubt?“) greifen. Die pressemäßige Tätigkeit als solche führt noch nicht zu einer umfassenden Berechtigung. Für Satiren und Parodien kann eine Berechtigung eher vorliegen als für andere Formen der Verwertung.

Während die identische oder fast identische Übernahme noch recht gut erkennbar ist, ist bei den Fällen der Anlehnung – die beiden letzteren Fälle – weitaus schwerer zu bestimmen, ob es sich um einen zulässigen oder einen unzulässigen Fall handelt, ob oder nicht also ein ausreichender Abstand zum Ausgangstext gewahrt wurde. Das lässt sich letztlich nur im Einzelfall entscheiden. Allgemein lässt sich sagen: Je eigentümlicher und origineller der Ausgangstext ist, desto stärker ist er geschützt. Erreicht er nicht das Mindestmaß an Eigentümlichkeit, das für einen Schutz als Sprachwerk notwendig ist, ist er urheberrechtlich überhaupt nicht geschützt (siehe Punkt 1). Erreicht er das Mindestmaß, bestimmt sich der Umfang des Schutzes danach, wie eigentümlich das Werk ist: Je eigentümlicher der Ausgangstext ist, desto größer ist der Schutz, desto mehr Abstand muss der Zweittext dementsprechend halten. Sachtexte sind dabei weniger geschützt als fiktive Texte, weil bei Sachtexten ein gewisses „Freihaltebedürfnis“ besteht, um die wissenschaftliche Fortentwicklung nicht abzuschneiden.

Ist der Ausgangstext beispielsweise ein Sachtext zum Thema „Verfassung der EU“, sind die darin angesprochenen Aspekte als solche selbstverständlich nicht für weitere Sachtexte zum Thema gesperrt - auch andere Autoren dürfen also darüber schreiben, auch in einer Dissertation. Geschützt ist die konkrete Ausgestaltung der Arbeit, ein anderer Autor muss dazu einen gewissen Abstand halten, aber natürlich nur insoweit, als das Thema einen Abstand erlaubt. Die im Ausgangstext verwendeten Fachbegriffe kann der Verfasser des Zweittextes in der Regel nicht vermeiden, die Struktur des Textes kann sich ebenfalls zwingend aus der Sache ergeben. Hinsichtlich derjenigen Aspekte, die einen Abstand erlauben, hängt das Maß des notwendigen Abstandes davon ab, wie eigentümlich und originell der Ausgangstext ist. Ein sehr origineller Ausgangstext erfordert einen sehr großen Abstand des Zweittextes vom Ausgangstext, ein wenig origineller Ausgangstext erlaubt auch näher angelehnte Zweittexte.

Abschreiben ist also nicht allgemein verboten – schon gar nicht in der Wissenschaft –, es muss allerdings ein hinreichender Abstand zum Ausgangstext gewahrt werden. Wissenschaft lebt letztlich davon, dass Vorbestehendes aufgenommen und fortgeführt wird, was eine gewisse Übernahme zwangsläufig mit sich führt.

3.
Die in den Medien aufgeführten Beispiele angeblicher Plagiate in der eingangs genannten Dissertation sind teils längere, identisch übernommene Stellen, bei denen – trotz Sachtextes – eine Urheberrechtsverletzung sehr nahe liegt, teils handelt es sich um sehr kurze, leicht abgewandelte Stellen, bei denen eine Urheberrechtsverletzung sehr unwahrscheinlich erscheint.

4.
Beachtet werden muss natürlich auch, dass eine an sich zulässige (weil z. B. durch Gesetz oder den Berechtigten erlaubte) Nutzung an „Formalien“ scheitern kann und unzulässig wird. So bestimmt § 13 UrhG:

„Der Urheber hat das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk. Er kann bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist.“ Dieses Recht des Urhebers ist zu achten. Daneben gibt es Vorschriften hinsichtlich der Quellenangabe und des Verbots von Änderungen, die ebenfalls einzuhalten sind.

5.
Ist das Abschreiben im Einzelfall unzulässig – und sei es auch, dass es „nur“ unzulässig wurde, weil „Formalien“ nicht eingehalten wurden (siehe Punkt 4) –, kann das als Urheberrechtsverletzung einschneidende Folgen für den Rechtsverletzer haben – der Berechtigte kann Unterlassung verlangen (Abmahnung, ggf. gerichtlicher Schutz in Form von einstweiliger Verfügung und/oder Unterlassungsklage – für den Unterliegenden entstehen hier erhebliche Kosten!), daneben Schadensersatz, Erstattung der Rechtsverfolgungskosten, Beseitigung der Beeinträchtigung, und je nach Sachlage können diverse weitere Ansprüche bestehen (z.B. Vernichtung von Verletzungsexemplaren und Rückruf von bereits verbreiteten Exemplaren). Nicht vergessen werden sollte auch, dass die Urheberrechtsverletzung grundsätzlich strafbar ist und in Einzelfällen es auch tatsächlich zur Strafverfolgung kommt.

Ihr

Frank C. Biethahn

Frank C. Biethahn ist ein bundesweit tätiger Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Urheberrecht, Medien- und Presserecht und Inhaber einer Kanzlei im Raum Hamburg (Anmerkung der Redaktion)

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