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In der Grauzone des Substantivs

Das Substantiv, auch Nomen oder Hauptwort genannt, ist nicht nur aufgrund seines erhabenen Anfangsbuchstabens eine besonders herausragende Wortart, auch rein quantitativ steht es ganz vorne: Mehr als die Hälfte aller Wörter des Deutschen gehören dieser Königsklasse der Wortarten an. Mit Substantiven bezeichnen wir, so weiß es der Duden „Richtiges und gutes Deutsch“, „sowohl die stofflich vorhandenen, für den Menschen wahrnehmbaren Dinge und Lebewesen (Konkretum) als auch nicht Gegenständliches, bloß gedachte Erscheinungen, Eigenschaften, Gefühle, Empfindungen, Handlungen, Zustände, Vorgänge und Beziehungen, Zeitangaben, Wissenschaften, Künste usw. (Abstraktum)“. Kurz: Ohne Substantiv ginge uns sprachlich relativ schnell die Puste aus.

Bei der Groß- oder Kleinschreibung gibt es nicht einmal den Hauch einer Diskussion: Substantive werden großgeschrieben. Diffizil wird es allerdings in der beachtlichen Grauzone der Wörter, die von Haus aus keine Substantive sind, sich aber mir nichts, dir nichts dazu aufschwingen: substantivierte Infinitive, Adjektive, Partizipien und andere Schmarotzer, die sich den großen Anfangsbuchstaben quasi nur ausleihen. Wie eine Warnung steht im obengenannten Dudenband: „Substantivierte Infinitive können komplex sein.“ Besonders gilt das, wenn – es ist ja so praktisch – gleich noch weitere Bestandteile dazugepackt und kühn neue Komposita gebildet werden. Will jemand immer recht haben, kreiden wir ihm sein „Recht-haben-Wollen“ an – oder, genauer gesagt, sein „Immer-recht-haben-Wollen“ (und nicht etwa sein „immer Recht-haben-Wollen“). Derlei Bindestrichkonstruktionen finden Sie zum Aus-der-Haut-Fahren? Aber möglicherweise haben Sie ja bereits den stets gleichen Aufbau erkannt: Der eigentliche substantivierte Infinitiv (in den Beispielen das „Wollen“ und das „Fahren“) steht ganz am Schluss und wird großgeschrieben. Der erste Buchstabe der Gesamtkonstruktion wird ebenfalls großgeschrieben, weil da eben das Wort losgeht. Alles andere wird so geschrieben, wie man es auch sonst schreiben würde.

Doch müssen die Bindestriche überhaupt sein? Nein, sie müssen nicht: Auch „das Rechthabenwollen“ und „das Ausderhautfahren“ sind formal korrekte Substantivierungen, doch spätestens beim zweiten Kompositum legt das Sprachgefühl Beschwerde ein: Bitte immer schön an den Leser denken! Im Fluss seiner Lektüre goutiert dieser ein „Auf-die-lange-Bank-Schieben“ sicher dankbarer als ein „Aufdielangebankschieben“. Andere Substantivierungen wie „Inkrafttreten“ sind uns, den Juristen sei Dank, sogar schon so vertraut geworden, dass wir die Schreibweise „In-Kraft-Treten“ als sperrig und ungelenk empfinden (weshalb die Rechtschreibreformer sie auch schnell wieder in ihre Mottenkiste packten). Und auch das „Zustandekommen“ würde sicher niemand in ein „Zu-Stande-Kommen“ aufdröseln wollen.

Ein besonderer Fallstrick ist die Ähnlichkeit des Infinitivs mit „zu“ zum substantivierten Infinitiv mit „zum“: So laden wir jemanden zum Essen ein, geben ihm dann aber etwas zu essen. Und manchmal kommen wir erst zum Denken, wenn uns etwas zu denken gibt. Etwa, wenn wir auf einer Website mit „Herzlich Willkommen!“ begrüßt werden. Der Webmaster mag uns „herzlich willkommen“ heißen oder uns ein „herzliches Willkommen“ bereiten, alles andere ist aus orthografischer Sicht eher weniger willkommen.

Ihr 

Julian von Heyl

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